Veldener Extrembergsteigers Sepp Lurz besteigt zweiten Siebentausender in Indien
„Geh Du als Erster zum Gipfel, er gehört dir. Du hast enorme Spurarbeit geleistet“, sagte Rupert zu mir, als wir am 30. August 2013 gegen 13.00 Uhr die letzte kleine Flanke des 7077 Meter hohen Kun vor uns hatten. Wir sollten die ersten beiden Bergsteiger in dieser Saison am Gipfel sein und gingen die letzten Schritte natürlich gemeinsam.
Nachdem ich 2007 schon einmal in Nordindien beim Bergsteigen, und neben der landschaftlichen Schönheit auch von den kulturellen Erlebnissen mit den Ganges-Pilgern sehr beeindruckt war, recherchiert ich ein neues Expeditionsziel, wiederum in diesem Teil des Himalaya-Gebirges.
Die Beschreibung der Abenteuerreise zum indischen Bundesstaat Jammu-Kaschmir mit dem Zwischenziel Leh, der Hauptstadt der Region Ladakh, die wegen der Jahrtausend alten buddhistischen Kultur auch Klein-Tibet genannt wird, faszinierte mich schon beim Lesen. Die Berührung mit drei großen Weltreligionen, Hinduismus in Neu Delhi, Buddhismus in Ladakh und dem Islam in der Kaschmir Region, versprach wiederum eine unvergessliche Reise zu werden.
Auf unseren Expeditionsleiter, dem Österreichischen Extrembergsteiger Rupert Hauer war ich schon sehr neugierig. Rupert hatte in dieser Saison, nach einem Alleingang ohne Zuhilfenahme von Sauerstoff, kurz vor dem Everest-Gipfel wegen der Rettung eines erblindeten Amerikaners auf einen großen Triumpf verzichtet und sich hierbei schwerszte Erfrierungen im Gesicht zugezogen.
Nach dreimonatigen Training und einem letzten Testwochenende am Hochkönig, mit Übernachtung auf dem Matras-Haus, flogen wir am 11. August von Frankfurt über Abu Dhabi nach New Delhi. Der Besichtigung kultureller hinduistischer Stätten und dem sogenannten Briefing im indischen Mountaineering Ministerium, folgte eine Inlandsflug in die ladhakische Bezirkshauptstatt Leh, 3500m hoch gelegen. Die dreitägige Höhenanpassung wurde durch das Eintauchen in die Buddhistische Mönchs-Kultur, in den Klöstern und Palästen in und rund um Leh, zu einem kurzweiligen Unterfangen.
Leider war es uns nicht vergönnt, den Dalai Lama, der jeden August bei den Buddhisten in Leh residiert, anzutreffen. Hier unterrichtet er im August auch in der örtlichen Schule.
Ein fünftägiges Trekking über den 5270 m hohen Kanji La Pass, auf dem wir immerhin schon mal auf fast 5000 Meter Schlafhöhe kamen, führte uns in das Basislager des Kun. Bei unzähligen Flussquerungen, zum Teil barfuß durch die eiskalten Fluten, oder mit waghalsigen Sprüngen, musste man konzentriert agieren um nicht vorzeitig das Gipfelziel durch eine Verletzung zu gefährden.
In zehn Tagen wollten wir über drei Hochlager, von denen die ersten beiden während der weiteren Akklimatisierungsphase aufgebaut wurden, den Gipfel erreichen. Zwischen den Materialtransporten und dem Versichern der Steilhänge sollte es auch zwei Ruhetage geben um einmal zu Duschen und Kraft für den Gipfelgang zu tanken.
Da für den 30. August weitgehend stabiles Wetter vorher gesagt war, starteten wir vom Hochlager drei, von 6300 Meter Höhe, um ½ vier Uhr morgens. In einer Achterseilschaft, in den Rucksäcken 1 l Marschtee, Powergel, Müsliriegel, Ersatzhandschuhen und Notfallausrüstung, stapften wir bei minus 20 Grad in Richtung Wandfuß. An den Steilwänden lösten wir die Seilschaft auf und kämpften uns in Zweierteams die Fixseile entlang. Bereits nach gut drei Stunden mussten die ersten beiden Bergsteiger der Anstrengung in der Höhe Tribut zollen. Der Climbing-Sherpa stieg mit ihnen ab. Das bedeutete für mich, zu Expeditionsleiter Rupert Hauer aufzuschließen und mich mit ihm beim Spuren abzuwechseln. Die Fixseile, die das Schweizer Expeditionsteam eine Wochen vor uns an den steilen Graten verlegt hatten, waren tief und fest eingeweht. Es war extrem kraft- und damit auch zeitraubend, in der Höhe bei dünner Luft, diese aus dem harten Firn zu reißen und zu pickeln. Die Schweizer waren in dieser Saison das erste Team am Berg und mussten wegen mehrtägigen Schneefalls ohne Gipfelerfolg abziehen.
Wir waren nun glücklicher. Wenn es auch 9 ½ Stunden gedauert hat, bis ich mit Expeditionsleiter Rupert, gefolgt von Hans, unserem österreichischen Expeditionsarzt, und später noch Wiltrud mit meinem Zeltpartner Stefan, unser Expeditionsziel erreicht hatte. Da Stefan erst zur ausgegeben Umkehrzeit, um 14.00 Uhr, auf allen vieren, völlig am Ende den Gipfel erreichte, benötigten wir für den sicheren Abstieg noch einmal knapp fünf Stunden um nicht einen Absturz zu riskieren.
Nach dem großartigen Bergerlebnis hatten wir uns Entspannung verdient. Vom Basecamp reisten wir mit unseren Jeeps weiter durch das muslimische Kaschmirgebiet. Über steile Passstraßen mit schwindelerregenden Tiefblicken fuhren wir über die Stadt Kargil das lieblich, alpenländisch anmutende Zanskartal, immer Talwärts nach Srinagar, der Hauptstadt des Bundesstaates Jammu Kashmir. Am Dal-See, auf 1600 Meter umgeben von Bergen, einem wahren Shangri La beziehen wir für zwei Nächte ein Luxushausboot um von hier aus den See zu erkunden, die traumhaften Shalimar-Mogul-Gärten aus dem 16. Jahrhundert zu besichtigen und einen der berühmten Kashmir-Teppiche als Souvenir mit nach Hause zu nehmen.
Den Abschluss der großartigen Reise bildet der Besuch des Roten Fort in New Delhi bevor wir zurück nach Frankfurt flogen.
Berg- und Kulturinteressierte die den kompletten Expeditionsbericht in einer Multivisionsshow aus digitalen Bildern und Videos miterleben möchten, haben dazu am 29. April um 20.00 Uhr im Gymnastiksaal des TSV Velden Gelegenheit. Der Eintritt ist frei. Dafür werden Spenden für die Erdbebenopfer in Nepal erbeten.